Pipilotti Rist ist Publikumsmagnet: Ausstellung im Museum Langmatt, Baden, wird verlängert (CH)

Augendeckel Pipilotti Rist, Videoinstallation im Esszimmer der Villa Langmatt, Courtesy die Künstlerin und Hau
Augendeckel
Pipilotti Rist, Videoinstallation im Esszimmer der Villa Langmatt,
Courtesy die Künstlerin und Hauser & Wirth
Foto: Andrés Morya

Medienmitteilung Museum Langmatt, Baden

Pipilotti Rist – Schliessen Sie mir das Kleid, hat bisher über 15‘000 Besucherinnen und Besucher angezogen. Zum 20. Geburtstag des Museums ein neuer Besucherrekord! Vor allem Mund-zu-Mund-Propaganda hat dafür gesorgt, dass der Andrang nicht abreisst.

Die Ausstellung wird daher um zwei Wochen bis 30. November 2010 verlängert.

Pipilotti Rist: Schliessen Sie mir das Kleid, danke

Zum 20jährigen Jubiläum des Museums Langmatt gestaltet die Schweizer Film- und Videokünstlerin Pipilotti Rist ein Kaleidoskop der Farben und der poetischen Überraschungen:

Die Künstlerin richtet ihr Augenmerk auf das verborgene Leben in der 1900/01 von Karl Moser erbauten Villa Langmatt. Sie lenkt unseren Blick auf das heute vergessene Paralleluniversum der Dienstboten und schafft stimmige Gegenwelten zu den Bildern der französischen Impressionisten.

Die Villa Langmatt, das Zuhause der Industriellen- und Sammlerfamilie Sidney und Jenny Brown-Sulzer mit ihren drei Söhnen Sidney, John und Harry, war gleichzeitig auch Arbeits- und Wohnort für eine Reihe von Angestellten, die den Haushalt erledigten und Gebäude und Garten pflegten. Pipilotti Rist ist an diesem grundlegenden Aspekt des täglichen Lebens einer grossbürgerlichen Familie interessiert, der in unserer Wahrnehmung von «Geschichte» kaum zum Vorschein tritt und doch so wichtig war für das gesellschaftliche Selbstverständnis.

Fasziniert von Überlagerungen zwischen Alltag und Kunst, haben sich Pipilotti Rist und ihr süsses Team schon öfters mit ehemals bewohnten Orten auseinandergesetzt (zuletzt 2009 im Schloss Werdenberg). Im Gegensatz zur Situation in einem assoziationsfreien White Cube sind für die Künstlerin solche Ausstellungsräume näher am Leben. Sie ergriff daher die Möglichkeit, das Impressionisten- und Wohnmuseum zu bespielen: „Die Villa Langmatt ist ein Sammlungsort, der vor Leben strotzt und dem man die Geschichte anmerkt“

Als ‚Sommergast’ in der 2006 von Rudolf Velhagen initiierten Ausstellungsreihe erlaubte ihr die mehrmonatige, ‚entschleunigte’ Arbeitszeit, sich auf besonders intensive Weise mit der historischen Substanz des Museums Langmatt auseinanderzusetzen.

In der permanenten Sammlung des Museums Langmatt schickt Pipilotti Rist die Besucher in abgedunkelten Räumen auf eine Entdeckungsreise zu den ‚altbekannten’ Meisterwerken der Impressionisten. Sorgfältig komponiertes farbiges Licht sorgt auf dem Rundgang für einen spürbaren sinnlichen Sog, der in einer gross angelegten Spiegelinstallation in der Gemäldegalerie gipfelt. Für das Museum Langmatt entstandene Videoarbeiten bespielen, wie von Geisterhand, Gegenstände und Bilder. Kunst wird zum Bildträger – Abhängigkeiten und Hierarchien verschiedener Kunstgattungen werden dabei in Frage gestellt.

Einen Akt Renoirs, welcher in der permanenten Sammlung nicht präsentiert wird, holte die Künstlerin ans Licht, weil sie durch die Selbstgenügsamkeit und die uneingeschränkte Körperlichkeit der Dargestellten berührt wurde — der nackte Körper ist für sie ein fundamentales und philosophisches Bild.

In den oberen Räumen des Museums präsentiert Pipilotti Rist „Splitterplaneten“ des von ihr im Erdgeschoss geschaffenen Universums und verweist auf weitere Aspekte: Objekte der von der Künstlerin seit Mitte der 80er Jahre angelegten «White Collection» werden vor einem Fenster aufgetürmt: Die billigen Plastikobjekte sehen im Gegenlicht wie verführerische Kristalle aus. Rist verweist mit dieser Installation darauf, dass ästhetische Kategorien, die besagen, was wertvoll und was wertlos ist, letztlich eine rein gesellschaftliche Übereinkunft darstellen.

Mit einer Lounge zum Verweilen und Lesen betont die Künstlerin schliesslich, dass Schönheit und Ästhetik für sie die zentrale Aufgabe hat, die Betrachter zu beruhigen: „Die Langmatt sehe ich als Ruhepol für die Familie Brown, mittlerweile ist die Langmatt ein Ruhepol für die Gemeinschaft. Dies entspricht im Übrigen meiner Überzeugung von Kunst. Kunst ist für mich Kontemplation“.

Schliessen Sie mir das Kleid, danke
Körperlichkeit spielt im Schaffen der Künstlerin eine besondere Rolle. Der Ausstellungstitel‚ Schliessen Sie mir das Kleid, danke verweist auf die extreme Nähe zwischen Bediensteten und Herrschaft, auf den ständigen Berührungskontakt durch dienende, auch zärtliche Hände. Eine Nähe welche, so Pipilotti Rist, von beiden Seiten nur durch eine strenge soziale Hierarchie überhaupt ausgehalten werden konnte.
Themen und Fragestellungen fanden die Künstlerin und ihr Team durch intensive spielerische Auseinandersetzung mit dem Ort. Auf den Spuren der Dienstboten in der Villa Langmatt näherte sie sich den ‚Stummen Zeugen’ im Sinne Nicholas Talebs (Der Schwarze Schwan, München, Hanser, 2008). Indem sie sich dem Thema dieser schier unzähligen helfenden Hände widmet, welche durch ihre dienende Tätigkeit das grossbürgerliche Leben der Familie Brown überhaupt ermöglichten, gibt Rist dem Haus eine bis anhin verborgene Geschichtlichkeit zurück. Das Thema verweist auch in die Gegenwart, denn viele der damaligen Handgriffe werden auch im heutigen Museumsalltag durch interne und externe Museums-Angestellte vorgenommen. Wie die Künstlerin betont, gilt „nach wie vor nicht-spezialisierte handwerkliche Tätigkeit als weniger wertvoll — denken wir an die alltägliche Hausarbeit. Es ist eine politische, geschlechterpolitische Debatte, was wie viel gilt.“

Die für das Museum Langmatt entstandenen Arbeiten verführen mit lebensbejahender Sinnlichkeit, besänftigende Klänge begleiten die Bilder. Mit grosser Vitalität besetzen die Installationen die Umgebung und reizen zu Assoziationen, etwa zwischen den gesellschaftlichen Hierarchien der Vergangenheit und unserer heutigen Abhängigkeit von Maschinen.

In der Ästhetisierung wird das geschichtliche Thema auch in allgemeingültige Kategorien menschlicher Erfahrungen überführt. Pipilotti Rists ‚helfenden Hände’, welche wir in intimer Nahsicht wahrnehmen, berühren den Betrachter — und wecken in uns unwillkürlich Erinnerungen an eigene Erfahrungen des Umsorgt-Werdens.

Kamla Zogg

Pressemitteilung mit zusätzlichen Informationen (PDF)

Für weitere Auskünfte zur Austellung wenden Sie sich bitte an:

Dr. Rudolf Velhagen,
Direktor des Museums Langmatt und
Kurator der Ausstellung
velhagen@langmatt.ch
Tel. +41 56 200 86 70
Mobile +41 79 734 90 38

Museum Langmatt
Stiftung Langmatt Sidney und Jenny Brown
Römerstrasse 30 – CH-5401 Baden
Schweiz / Switzerland / Suisse
+41 (0)56 200 86 70
info@langmatt.ch

Weitere Museen auf www.Ausflugsziele.ch

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