
Fotomuseum Winterthur
28. November 2009 bis 7. Februar 2010
Fotomuseum Winterthur (Halle und Galerie)
Das Bild Mujer ángel (Engelsfrau), auf dem eine Seri-Indianerin von hinten zu sehen ist, die mit einem Radiorekorder in der Hand durch die Wüste wandert, gehört zu den symbolträchtigsten Fotografien von Graciela Iturbide. Es ist streng genommen ein Dokument, wirkt aber gleichzeitig wie ein Symbol für die Spannung zwischen zwei Kulturen, ein Symbol für die Frage, wie die indianische innerhalb der westlichen Kultur fortbestehen kann. Graciela Iturbide stellt ihre Bilder oft in den „Schattenriss“, um Dinge auszudrücken, die zwischen Ahnen und Wissen pendeln. Ihre Fotografie handelt vom subtilen und komplexen Ineinanderverfugtsein von Wirklichkeiten, von verschiedenen Realitätsebenen. Sie sagt selbst, dass „die Fotografie ein Vorwand ist, um etwas zu erkennen“. Und wenn sie das Wort „erkennen“ ausspricht, gewinnt man den Eindruck, es handle sich eigentlich um ein Synonym für „leben“; als sei es gleichbedeutend mit „auf der Welt sein“, mit „sein“ überhaupt.
Graciela Iturbide (*1942) ist die bekannteste zeitgenössische Fotografin Mexikos. Mehrfach ausgezeichnet, zuletzt mit dem renommierten Hasselblad Award 2008, legt ihr 40-jähriges fotografisches Werk eine Spur, um die Entwicklung der Fotografie in Mexiko und in anderen Ländern Lateinamerikas zu verstehen.
Ende der 1960er Jahre schreibt sie sich an der Nationalen Universität Mexico City für Film ein. Im Nebenfach besucht sie die Vorlesungen des bekannten Fotografen Manuel Álvarez Bravo, der die junge Studentin schnell zu seiner Assistentin macht und für die Fotografie begeistert. Dieser Begegnung mit Álvarez Bravo, aus der sich eine tiefe Freundschaft entwickelte, ist es zu verdanken, dass Graciela Iturbide in die damalige Kunstszene Mexikos eintauchte und mit Künstlern und Werken von Tina Modotti, Edward Weston, Henri Cartier-Bresson, Frida Kahlo, Diego Rivera u.v.a. vertraut gemacht wurde.
Zwischen 1979 und 1986 entsteht ihre erste wichtige Arbeit. Immer wieder reist sie nach Juchitán, einem mythischen Ort im südlichen Staat Oaxaca, Heimat der Zapoteken. Sie lebt inmitten der Gemeinschaft, begleitet die einheimischen Frauen und erhält dadurch Einblick in tief verwurzelte Traditionen und Riten, die sie in zahlreichen unvergesslichen Bildern interpretiert. In den Porträts und Landschaften von Juchitán de las Mujeres (Juchitán, Stadt der Frauen) gelingt es Graciela Iturbide, die tief in den Mythen verankerte Welt der Indigenen aufscheinen zu lassen.
Ein weiteres Projekt, ein Auftrag des „Instituto Nacional Indigenista“ zur Rettung der indigenen Welt, widmet sie den Seri-Indiander in der Sonora Wüste: Los que viven en la arena (Die im Sand leben).
Es gelingt ihr dabei, über die konkreten Lebensumstände hinaus den Zwiespalt einzufangen, der das Leben zwischen zwei kulturell entgegengesetzten Systemen prägt. Sie befreit sich damit von der herkömmlichen Art, stigmatisierte Bevölkerungsgruppen zu porträtieren.
Schliesslich ist es Graciela Iturbide, die im Jahr 2006 als erste das Bad von Frida Kahlo betreten darf, das Diego Rivera, Frida Kahlos Ehemann, 1954 nach ihrem Tod hatte schliessen lassen. Sie tut dies im Bewusstsein um die Verehrung dieser Ikone der mexikanischen Kultur. Durch ihre Reinterpretation des jahrelang geschlossenen und unveränderten Raumes und ihren Dialog mit den Objekten und dem Werk der Malerin Frida Kahlo erschliesst sich Graciela Iturbide einen eigenen Zugang.
Die Ausstellung „Graciela Iturbide – Das innere Auge“ widmet sich dem Gesamtwerk dieser
aussergewöhnlichen Fotografin und stellt alle wesentlichen Werkgruppen vor.
Die Ausstellung wurde von der Mapfre Foundation in Madrid organisiert.
Kuratorin ist Marta Dahó.
Zur Ausstellung erscheint ein Katalog:
Graciela Iturbide, englische Ausgabe. Hg. Fundación Mapfre. Mit Texten von Marta Dahó, Juan Villoro und Carlos Martín García. Deutsche Übersetzung der Texte in separatem Beiheft. Mit rund 180 Duplex-Abbildungen, Umfang 292 Seiten, Hardcover, Format 23 x 26 cm. Preis: CHF 65.-
Weitere Informationen zum Fotomuseum Winterthur auf www.Ausflugsziele.ch
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